Chronik
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Chronik des Kreisverbandes Lippe

 

Im Jahr 2004 feierte der Kreisverband der Rassekaninchenzüchter Lippe e.V. sein 90-jähriges Bestehen. Seine Gründung am 15.2.1914 auf der Wilhelmsburg in Lage von den Vereinen Detmold, Brake und Lage hatte unmittelbar mit den in Lippe lebenden Menschen und der damaligen politischen Situation zu tun. 1914 ist das Fürstentum Lippe deutscher Bundesstaat unter der Herrschaft des Fürsten Leopold IV. Und so haben die lippischen Kaninchenzuchtvereine eben keinen Kreisverband, sondern den Landesverband Lippischer Kaninchenzüchter gegründet. Das Verbandsgebiet war das Hoheitsgebiet des Fürstentums Lippe in den Grenzen von 1914.

Kaninchenzucht in der Zeit der Monarchie

Die Anfänge nahm die organisierte Kaninchenzucht im Fürstentum Lippe 1903. In Detmold gründete sich der erste lippische Kaninchenzuchtverein, ihm folgten 1911 Gründungen in Brake und in Lage. Durch die soziale Struktur der lippischen Bevölkerung mit geringem Einkommen und vielem Klein- und Kleinstbesitz sollte durch das Kaninchen eine Verbesserung des Lebensstandards erreicht werden. Hinzu kam der interessante Effekt, Tiere auf den Wert bestimmter äußerer Merkmale wie Größe, Körperform, Fell, Farbe, Zeichnung und ähnliche dinge beurteilen zu lassen und neue Rassen und Farbenschläge herauszuzüchten. Georg Stein, Detmold, begann ein Großsilberkaninchen herauszuzüchten und stellte diese Tiere 1911 in Detmold unter dem Namen „Germania Silber“ aus. 1912 erfolgte Aufnahme dieser Rasse in den preußischen Landesstand; gleichzeitig gründete Stein eine „Vereinigung zur Zucht eines großen Silberkaninchens“, die sich 1912 „Germania-Silber-Spezialklub“ nannte.



Schon kurze Zeit nach ihrer Vereinsgründung merkten die Detmolder Kaninchenzüchter, dass ihre „Kaninchenwelt in den Grenzen des Fürstentums Lippe“ doch recht klein war. Sie orientierten sich nach Westfalen und waren 1906 Gründungsmitglieder des Bezirksverbandes in Bielefeld (13. Bezirk des Verbandes westdeutscher Kaninchenzüchter). Aktiv nahmen sie regelmäßig an den im Gebiet Ostwestfalen stattfindenden Bezirksversammlungen teil, beschickten die jährlich stattfindende Bezirksausstellung und richteten sie 1909 in Detmold selbst aus. Alle Vereine der 12 Bezirksstädte beteiligten sich. Auch von der Beschickung der I. Preußischen-Landes-Verbands-Ausstellung im Juni 1910, ausgerichtet vom KZV Essen-West ist die Rede. Ab 1912 wurde auf den Bezirksversammlungen von einer Neuorganisation gesprochen. Der Bezirksverband sollte in kleinere Bezirksverbände aufgeteilt werden, um eine bessere Agitation entfalten zu können. 1913 am 16. November war es soweit: Der Bezirksverband mit 15 Vereinen und ca. 600 Mitgliedern wurde aufgelöst in die Kreisverbände: Minden, Herford, Lübbecke, Bielefeld, Halle, Wiedenbrück, Paderborn, Höxter, Warburg und Büren, die zum Provinzialverband Westfalen gehörten. Anfang 1914 beschloss Lippe: Neugründung als selbständiger Provinzialverband und Direktanschluss an den Deutschen Bund. Bereits im Oktober 1914 fand die erste Landesverbandsausstellung in Detmold statt.

Vom Ende der Monarchie bis zur Aufgabe der Selbständigkeit 1933

In diese scheinbar so heile Welt brach der 1. Weltkrieg aus, präsent in Lippe durch Kriegswirtschaftsbehörden und durch unzählige Blutopfer. Eisern hielten die daheim gebliebenen Züchter aus. Hier und da fand noch eine Vereinsausstellung statt, 1917 und 1918 noch eine Verbandsausstellung. Resümee nach dem Krieg: Viele junge, engagierte Züchter, viele Vorstandsmitglieder sind im Krieg gefallen. Dann 1919 die Revolution im Deutschen Reich; Ausruf der Deutschen Republik. Das Gesetz des Handelns riss auch Lippe mit: Mitte November dankte Fürst Leopold IV. ab. Lippe wollte selbständig bleiben, wählte sich eine eigene Regierung und versuchte, wirtschaftlich Anschluss zu bekommen. Die Rückstände in der Entwicklung des Landes, verbunden mit intensiver Werbung führten schnell zu weiteren Vereinsgründungen. Die Neuerungen des Bundes: das Tätowieren der Tiere wurde ab 1923 eingeführt. 1925 führten Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinen – es ging um Anschluss an den Reichsbund oder an den Deutschen Bund und die Frage der Selbständigkeit – zu einer Spaltung in zwei Parallelverbände. Aber das gemeinsame Hobby, die Kaninchenzucht, vereinte alle bereits 1926 wieder. In dieser Zeit war das Mitgliederpotential in den Vereinen sehr unterschiedlich. Die Züchter einiger Vereine beschickten und besuchten jetzt die Bundesschauen in Darmstadt, Offenbach, Leipzig; die Züchter anderer Vereine waren arbeitslos und finanziell nicht einmal mehr im Stande, noch die Kreisschau zu beschicken. Da war der Nährboden für die NSDAP gegeben, die 1928 in Lippe erstmals in Erscheinung trat.

Kaninchenzucht unter dem Nationalsozialismus

Im Jahr 1933 führten in kürzester Zeit die Geschehnisse im Deutschen Reich zur nationalsozialistischen Diktatur. Binnen eines Jahres wurde aus dem Bundesstaat Deutsches Reich ein Einheitsstaat mit direktem Einfluss auf die Kaninchenzucht: die beiden Kaninchenzüchterverbände Reichsbund und Bund wurden aufgelöst, der Reichsverband wurde geschaffen. Aus dem Landesverband Lippischer Kaninchenzüchter wurde der Gau Lippe. Aber das war kurze Zeit später auch vorbei. Von oben herab wurde der Gau Lippe aufgelöst und der Landesbauernschaft Westfalen zugeteilt. 1934 führte der Reichsverband die Vereinskennzeichen ein, die heute noch Gültigkeit haben. Dann mussten Landes- und Kreisfachgruppenleiter sowie Vereinsvorsitzende Mitglied in de NSDAP sein. Diese Verordnung zwang die lippischen Vereine, 1936 einen neuen Kreisgruppenführer zu ernennen. Die Vereine und Klubs wurde gleichgeschaltet, das Vereinsleben nach dem „Führerprinzip“ ausgerichtet. Es wurde nur noch der Vereinsvorsitzende gewählt. Er bestimmte selbst seine Mitarbeiter. Die Vorstandsbesetzung bedurfte der Bestätigung des Kreisgruppenleiters. Hier und da waren leichte Zweifel zu hören, andere sahen die Vorteile: den Zuwachs an Mitgliedern, resultierend aus groß angelegten Werbeaktionen und Förderungsmaßnahmen. Von einem „Vierjahresplan“ und „Wirtschaftsrassen“ ist in den Protokollbüchern der Vereine fortlaufend die Rede. Und die Kontrolle griff: Vertreter der Kreisfachgruppe waren in allen Vereinen immer wieder präsent.
Mit dem Kriegsbeginn 1939 änderte sich die Situation. Die Propagierung der Fleisch- und Fellgewinnung wurde intensiviert. 1941 kamen die ersten Zweifel in der Züchterschaft auf, als sie feststellten, dass das frühere bunte Bild auf den Ausstellungen fehlte. Die Zeiten wurden schlechter: Der Preis für Schlachtware wurde festgelegt, es gab Prämien für Wirtschaftsrassen, Verkaufsstellen für Tiere wurden eingerichtet, die Kassenführung überwacht. Ende 1943 hatte Lippe 401 Mitglieder und 12 Vereine, aber das Vereinsleben kam nach und nach zum Erliegen.

Der Neubeginn 1945

Lippe hatte im großen und ganzen das Glück gehabt, den Krieg ohne größere Zerstörungen zu überstehen. Schwer getroffen wurde lediglich Lage – weil Eisenbahnknotenpunkt. Im April 1945 erfolgte die Besetzung durch die Amerikaner, eine Militärregierung in Detmold etabliert und Lippe zählte zur britischen Besatzungszone.
 


Die Anordnungen dieser Militärregierung erschwerten das Wiederaufleben der Vereine. Auf ihrer ersten Kreissitzung am 2.12.1945 in Lage beschlossen die lippischen Kaninchenzüchter, durch intensive Werbung Züchter und Tierbestand wieder auf den Vorkriegsstand zu bringen. Das fiel nicht schwer, denn Not herrschte überall. Jeder der Gelegenheit hatte, Kaninchen zu halten, nutzte dieses aus, um den Küchenzettel durch einen Kaninchenbraten zu bereichern. Die Zahl der Mitglieder nahm zu. Besonders in Lippe boten die Kaninchenzuchtvereine den Flüchtlingen und Heimatvertriebenen (fast 25% der gesamten lippischen Bevölkerung) eine neue Heimat. Über gleiche Interessen fand man schnell zusammen. In dieser Zeit stand auch im politischen Bereich das alt bekannte Thema: „Lippes Selbständigkeit“ wieder zur Diskussion. Nach vielen politischen Verhandlungen entschied sich Lippe 1946 für das neu gegründete NRW und mit der Gründung des Landesverbandes Westfalen-Lippe 1946 hatten auch Lippes Kaninchenzüchter wieder Anschluss an Westfalen gefunden. Nachkriegszeit ist eine Zeit des Nachholbedarfs. Bereits 1947 fand in Lage die erste Kreisverbandsschau nach dem Kriege statt, alljährlich fanden wieder Vereinsschauen statt, aber auch viele Festivitäten sind zu verzeichnen. Auf diese Weise gelang es bis Mitte der 60er Jahre, den Mitgliederbestand von 206 Züchtern im Jahre 1953 auf 280 Alt- und 61 Jungzüchter 1966 zu steigern. 1964 feierte der Kreisverband Lippe ganz groß sein 50-jähriges Bestehen in Lemgo-Brake in Anwesenheit des Landesverbands-Vorstandes. In diesem Jahr wurde auch August Papenmeier für seine langjährigen Verdienste um die Kaninchenzucht zum Meister der deutschen Rassekaninchenzucht ernannt.

Auch auf der politischen Ebene tat sich einiges. Das Land NRW forderte eine kommunale Neugliederung zur Verbesserung der Infrastruktur. 1970 wurde aus den Landkreisen Lemgo und Detmold der Kreis Lippe. Der Landesverband der Kaninchenzüchter Westfalen-Lippe übernahm diese Neugliederung und ordnete alle Kaninchenzuchtvereine den neu geschaffenen politischen Kreisen zu, was dem Kreisverband der Kaninchenzüchter Lippe einen weiteren Verein einbrachte.
Mit Kurt Kirchner hatte der Kreisverband in den 70er Jahren bis 1998 einen engagierten und einsatzfreudigen Kreisverbandsvorsitzenden, dem es gelang 3 Clubs in den Kreisverband aufnehmen zu können und Lippe im Landesverband Westfalen bekannt zu machen. Landesverband und ZDK würdigten sein Schaffen, in dem sie ihn zum Landesverbands-Ehrenmitglied und Meister der Rassekaninchenzucht ernannten.

In seinem Jubiläumsjahr 2004 geht der Kreisverband der Rassekaninchenzüchter Lippe zuversichtlich mit insgesamt 401 Mitgliedern in 11 Vereinen, 3 Clubs, 6 Frauen- und 7 Jugendgruppen. Von den Anfängen bis zur Gegenwart sehen wir die Kaninchenzucht – und dies gerade auch in unserer Region – als kulturelles Erbe und ihr Erhalt ist uns Auftrag für die Zukunft.